Heiter scheitern
Ich habe schon viele Trainings gegeben und gestern habe ich einen geschätzten Kollegen vertreten. Ich wollte wie immer alles richtig gut vorbereiten und habe fünf Stunden vorab schon angefangen, das Konzept, die Übung, die Medien vorzubereiten. Angefangen, ja genau.
Dann kam ein Anruf rein. Meine Oma wollte mich sprechen. Dann meine Mutter, dann sind mir für meinen nächsten Workshop noch wichtige Erledigungen eingefallen. Und schwupp, waren von den 5 Stunden nur noch 2 übrig. Das Mittagessen hatte ich bisher ausfallen lassen, da ich keinen Appetit hatte. Doch nun meldetet der Magen sich und ich musste daran denken, dass der Workshop später ja auch 2 Stunden geht und es dann schon spät wird, erst dann zu essen. Also.. Etwas Schnelles zubereitet, achtsam gegessen,.. doch im Hinterkopf:
„Jetzt wird es eng! Beeil dich mal!“
Das Thema war Zufriedenheit, und ich merkte plötzlich, wie unzufrieden ich mit mir und den Vorbereitungen und nervös ich war. Noch schnell ein Probe-Zoom Meeting, indem ich den Ton für die Meditation testen wollte, noch schnell die Präsentation ausdrucken und noch schnell klein schneiden, damit ich notfalls nachschauen kann… usw.
und immer wieder „der Quatschi“ – so nenne ich meinen inneren Kritiker und Antreiber, der natürlich sicherstellen will, dass ich „perfekt“ und pünktlich vorbereitet bin.
Kennst du solche inneren „Quatschis“ auch?
In meinem Stressmanagament-Training analysieren und forschen wir nach unseren Antreibern und inneren Anteilen, die uns „perfekt“ nach außen erscheinen lassen wollen. Die unseren Blutdruck und Herzschlag in die Höhe treiben, die uns in einen Modus von Konzentration und Fokus versetzen, aber auch stressen!
Nun gibt es ja förderlichen und krankmachenden Stress… (zu dem ich in einem anderen Beitrag näher eingehe) und ich meine nun den krankmachenden Stress. Am Ende habe ich gehudelt, war tollpatschig und gefrustet, doch alles lief gut und 10 in. vorab des Online- Workshops, wollte ich mir noch Wasser für eine Kanne Tee zubereiten. Während ich in der Küche erleichtert und voller Vorfreude an die Teilnehmer dachte, hatte sich der PC in den Ruhemodus begeben. Und schwupp.. hat sich beim anmelden „aufgehängt“.. Lange rede kurzer Sinn… ich war von 0 auf 100 in 2 Sekunden. Schneller als ein Ferrari.
Es dauerte 10 Min. nach Veranstaltungsbeginn, bin mein PC soweit lief, dass ich eingeloggt war, der Ton funktionierte ohne Echo und Pfeifen, und ich hatte noch schnell meine Präsentation vom PC nun auf den Laptop übertragen, die ich den Teilnehmer*innen ja unbedingt zeigen wollte.
Die Teilnehmer*innen schrieben mir im Chat beruhigende und verständnisvolle Nachrichten. Doch mein System sah nur ein weiteres ToDo, bei all der gefühlten Überforderung und mein Kopf wurde immer roter.
Letztendlich hat es über den Laptop geklappt und ich konnte mit der Meditation starten. Fast zitternd musste ich mich wieder konzentrieren, dass meine Nervosität nicht in der Stimme sich widerspiegelte… die Musik war dann auch egal, die ich nachmittags extra noch „getestet“ hatte… Mein Stress hatte sich noch verstärkt, da ich ja noch zusätzlich wütend auf mich selbst wurde. Warum muss ich mir auch noch kurz vor knapp eine Kanne Tee machen?
Als ich in die Gesichter sah, mit lauter teils lächelnden Menschen sah, die zur Anfangsentspannung die Augen geschlossen hatten, sah ich zum ersten mal bewusst hin. Ich hatte mich getraut, den Menschen in die Augen zu sehen, weil ich davor so im „Stress-Modus“ war und mich schämte, dass alle Teilnehmer*innen so lange warten mussten.
Doch, mehr und mehr, entspannte sich auch mein System und ich musste über mich selbst lachen. Die Stressmanagement- Trainerin ist selbst in die Falle getappt! Ich musste innerlich herrlich lachen und freut mich, dass ich mich selbst ertappte.
Geht es dir manchmal auch so?
Ich möchte dir sagen, ich bin nicht perfekt, doch ich kenne die Wege, hinein und hinaus, aus dem Stress. Es geht eben nicht darum „Misses oder Mister Perfect“ zu werden oder sein, sondern authentisch echt und menschlich zu bleiben im Umgang miteinander. Es war herrlich zu hören, wie entspannt die Teilnehmer*innen waren, als ich anfangs wurstelte, weil so konnten sie langsam und in Stille ankommen. Ein paar waren froh, dass sie nicht in meiner „gestressten Haut“ steckten.. und wieder andere haben das Monatsthema „Langsamkeit“ ernst genommen und sich an der geschenkten Zeit gefreut.
Fazit: Ich bin manchmal (noch) mein größter Kritiker, meine erbittlichste Antreiberin, mein eigener „Stressmacher“.. und alleine das Bewusstsein ist der erste Schritt zu einer Veränderung.. zur Entkoppelung von Reiz und Reaktion.
Es geht darum, den Raum und die Freiheit herzustellen für die Wahl, zu entscheiden, wie ich mit mir selbst umgehen möchte.
Lebensdienlich oder stressend und krankheitsförderlich?! Wie entscheidest du dich?